„Forschung frei zugänglich und jederzeit verfügbar“ – Bericht und Interview mit Projektleiterin Prof. Dr. Henrieke Stahl über die neue Zeitschrift IZfK

Das Unijournal „konzenTRiert“ veröffentlichte jüngst einen Bericht sowie ein Interview über die neue Zeitschrift IZfK, welche mit einem Special Issue des Kollegs eröffnet wurde.

Die gesamte Ausgabe des Unijournals finden Sie hier.

Weitere Informationen zur IZfK finden Sie hier.

 

Forschung frei zugänglich und jederzeit verfügbar

In einem Pilotprojekt haben ein Herausgeberteam und die Universitätsbibliothek die erste Open Access-Zeitschrift mit Peer Review-Verfahren an der Universität Trier entwickelt.

„Forschung sollte frei sein: nicht nur in Inhalt und Form, sondern auch in der Verfügbarkeit, und sie sollte lediglich an das kritische Urteil der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gebunden sein.“ Diese Überzeugung motivierte ein Team zur Gründung der „Internationalen Zeitschrift für Kulturkomparatistik“ als Open Access Journal.

Die Herausgeber um die Initiatorin Prof. Dr. Henrieke Stahl (Slavistik) zielen darauf ab, wissenschaftliche Artikel zur interdisziplinären und internationalen Forschung im Bereich der Kulturkomparatistik in einem Journal offen und permanent zugänglich zu publizieren – ohne sich in Abhängigkeit von Wissenschaftsverlagen begeben zu müssen. An der Universitätsbibliothek trafen die Initiatoren mit Dr. Evgenia Grishina und Jörg Röpke auf engagierte Kooperationspartner, die eine geeignete Infrastruktur für die projektierte Open Access-Zeitschrift entwickelten.

Die Zusammenarbeit von Herausgebern und Universitätsbibliothek ermöglicht eine kostenneutrale Produktion und Rezeption der Zeitschrift. Druckkostenbeiträge entfallen ebenso wie Kaufgebühren. Die Bibliothek tritt in diesem Prozess an die Stelle, die üblicherweise ein Verlag einnehmen würde. Sie berät in Fragen des elektronischen Publizierens, managt und hostet die Zeitschrift unter Berücksichtigung von Open Access-Qualitätskriterien, sie leistet Erschließungsarbeiten und macht die Zeitschrift und ihre Beiträge weltweit zugänglich. Im Unterschied zu einem Verlag ist die Bibliothek nicht Eigentümer der Zeitschrift. Die Rechte – und die damit verbundenen Pflichten – verbleiben bei den Herausgebern.

„Ich gehe davon aus, dass sich Universitätsbibliotheken immer mehr zu verlagsähnlichen Einrichtungen entwickeln werden. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stehen heute vor der Frage, ob sie sich eine Publikation in den von Verlagen geführten Journalen finanziell leisten können“, spricht Dr. Evgenia Grishina, Open Access-Beauftragte der UB. Aus Sicht der Bibliotheken müssen dazu die hohen Gebühren für den Bezug der Zeitschriften addiert werden.

Grenzenlose Verbreitung

Zu den Vorteilen von Open Access gehört über die finanziellen Aspekte hinaus die schnelle und grenzenlose Verbreitung als Online-Magazin. Die Beiträge des E-Journals werden über Schlagworte und Volltextindexierung erschlossen, sind somit durchsuchbar und über Suchmaschinen gut auffindbar. Weitere wichtige Optionen sind die Einbindung von ORCID-iDs zur Identifizierung der Autoren/Innen und einer DOI-URL zur dauerhaften und eindeutigen Auffindbarkeit von Artikeln. Zudem kann zwischen verschiedenen Zitationsformaten gewählt werden.

Die Art der Verbreitung der Zeitschriftenbeiträge ist über Creative Commons-Lizenzen geregelt. Spezielle Schnittstellen ermöglichen ein Monitoring und Analysen der Zugriffe auf die Aufsätze. Dass die Open Access-Variante auch Print kann, versteht sich fast von selbst: die Essays stehen im pdf-Format zum Download bereit und können im Zeitschriftenformat ausgedruckt werden. Und nicht zuletzt sind die dauerhafte Langzeitarchivierung und damit die nachhaltige Abrufbarkeit der Artikel im Netz gesichert.

Online-Begutachtung

Die Universitätsbibliothek verfolgt eine Open Access-Strategie und hat sich zur Umsetzung der Zeitschrift der OJS-Community angeschlossen.„OJS ist eine Open Source-Software und gehört mit 10.000 Projekten zu den bekanntesten Produkten für die Publikation von E-Journals.“, erklärt Jörg Röpke, Leiter des Aufgabenbereichs Forschungs- und Publikationsdienste der UB. Die Software bietet für Wissenschaftsjournals unerlässliche Tools an, beispielsweise um standardisierte Peer Review-Verfahren durchzuführen. „Als wichtiges Qualitätsmerkmal streben wir im Zug der Weiterentwicklung das DOAJ-Siegel an“, erläutert Jörg Röpke. Die Aufnahme in das „Directory of Open Access Journals“ ist nicht nur ein Qualitätsindikator, sondern erhöht zudem die Sichtbarkeit von Open-Access-Artikeln und -Zeitschriften.

Auch bei den Publikationsformen denken die Open Access-Experten der Universitätsbibliothek schon einen Schritt weiter und prüfen Open Access-Verfahren auch für Monografien. Einen Rundum-Service für das Open Access-Publizieren kann die Universitätsbibliothek derzeit jedoch nicht anbieten. Dafür fehlt es insbesondere an der personellen Infrastruktur. „Die bereits umgesetzten Projekte sind durch engagierte Kooperationen, mithilfe von finanziellen Mitteln der Auftraggeber und durch viel Idealismus zum Erfolg geführt worden“, sagt Dr. Evgenia Grishina.

 

 

„Das Pilotprojekt findet bereits erste Nachfolger“

Initiatorin Prof. Dr. Henrieke Stahl zur neuen „Internationalen Zeitschrift für Kulturkomparatistik“

Es ist nicht nur das Open Access-Verfahren, das die neue, von einem Team an der Universität Trier herausgegebene „Internationale Zeitschrift für Kulturkomparatistik“ (IZfK) von anderen Zeitschriften in diesem Themenfeld unterscheidet. Gleich sieben Punkte hebt die Initiatorin und Geschäftsführerin Prof. Dr. Henrieke Stahl im folgenden Interview hervor. Weitere Herausgeber sind JProf. Dr. Franziska Bergmann, Prof. Dr. Andreas Regelsberger, Prof. Dr. Christian Soffel und Prof. Dr. Harald Schwaetzer. Unterstützt wird die IZFK durch das Servicezentrum eSciences, die Universitätsbibliothek und die DFG-Kolleg-Forschungsgruppe „Russischsprachige Lyrik in Transition“.

Frau Stahl, welches Verständnis von Wissenschaft und Transfer steht hinter dem sehr großzügig ausgelegten Open Access-Verfahren?

Erkenntnisse sollten aller Welt so frei zugänglich sein, wie dies nur möglich ist – und zwar orts- wie zeitungebunden und vor allem auch unabhängig von ökonomischen Restriktionen, ohne Kosten aufseiten der Autorinnen und Autoren wie der Leserinnen und Leser. Eine Open Access-Publikation bedeutet aber keineswegs die Entkoppelung vom Urheber, weder vom Autor, noch von der Publikationsplattform unsere rer Zeitschrift. Denn eine Weiterverbreitung ist nur unter Angabe der Primärquelle mit den obligatorischen bibliographischen Angaben legal.

Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit mit der Universitätsbibliothek im Hinblick auf die Umsetzung Ihrer Open Access-Vorstellungen?

Ich bin begeistert über das Engagement und die Kooperationsbereitschaft der Kolleginnen und Kollegen aus der Universitätsbibliothek, die mit vielen Ideen die Zeitschrift professionell zur Umsetzung gebracht haben. Ohne ihre Beratung und beständige tatkräftige Unterstützung wäre das Projekt für uns nicht zu realisieren gewesen.

Inwiefern hebt sich IZfK von anderen Sprach-, Literatur- oder Kulturkomparatistik-Zeitschriften ab?

Unser Ansatz unterscheidet sich in mehreren Aspekten von anderen Zeitschriften im Bereich der Komparatistik: erstens, wir sind weder rein literatur- noch rein kulturwissenschaftlich ausgerichtet, sondern legen einen integrativen und dynamischen Kulturbegriff zugrunde, der zwar in den Philologien und der Philosophie verwurzelt ist, aber sich interdisziplinär öffnet und perspektivisch die Sozial- und sogar Naturwissenschaften einbeziehen kann. Denn wir verstehen Kultur als kreative Hervorbringungen des Menschen, die per se auch — und gerade im Anthropozän – Teil der Natur sind. Zweitens ist die Zeitschrift international aufgestellt; sie hat Kooperationspartner in und auch außerhalb von Europa, da die Wissenschaftstraditionen speziell in den Geisteswissenschaften in den Sprach- und Kulturräumen unterschiedlich geartet sind. Hiermit hängt zusammen, dass wir drittens die Zeitschrift multilingual führen, wobei internationale Transparenz durch englische Abstracts und Keywords hergestellt wird. Viertens bringen wir nur thematisch kohärente Bände. Fünftens binden wir die Zeitschrift nicht an einen Publikationsrhythmus, sondern gestalten sie als Forschungsportal. Sechstens sind wir möglichst weit geöffnet für globale Publikationsanfragen. Aber siebtens verfechten wir eine starke Herausgeberschaft: Sowohl die Gastherausgeber der Bände stehen in der Verantwortung für die Innovationskraft und Tragfähigkeit der Publikation als auch wir als die eigentlichen Zeitschriftherausgeber und -herausgeberinnen. Denn Wissenschaft ist persönliche geistige Verantwortung.

Sie möchten keine Einzelbeiträge oder Rezensionen aufnehmen, sondern nur Einheiten von mindestens fünf thematisch zusammenhängenden Beiträgen. Warum?

Wir publizieren nur thematisch kohärente Themenbänden, die rezente Forschungsfragen in Angriff nehmen. Wir erhoffen uns durch die gemeinsame Präsenz mehrerer Arbeiten zu einem gemeinsamen Thema neue Schwerpunkte besser sichtbar ausbilden zu können. Ferner führen Recherchen die User über einen gefundenen Beitrag dann gleich in eine bestimmte Forschungscommunity.

Welche Erfahrungen haben Sie bisher als Herausgeberin (bzw. das Team) mit diesem Verfahren gemacht? Werden Ihnen Themenvorschläge unterbreitet oder müssen Sie – gerade in der Anfangsphase – überwiegend selbst initiativ werden?

Wir haben die Zeitschrift in einer internationalen Gemeinschaft intensiv Forschender gegründet, die einen Bedarf an einer solchen Form der Publikation sehen. Entsprechend sind zum einen aus dem Kreis der Herausgeberinnen und Herausgeber und des Editorial Boards mehrere Bände in Vorbereitung, zum anderen erreichen mich erfreulicherweise bereits jetzt erste Anfragen für Publikationen von auswärts, und zwar auch aus dem außereuropäischen Raum, was für eine breite Wahrnehmung bereits der ersten Ausgabe spricht.

Gibt es bereits Resonanzen auf IZfK aus der Wissenschaft?

Kolleginnen und Kollegen nehmen das Projekt mit Interesse wahr; seit Freischaltung der Zeitschrift am 23.9. gab es bis Monatsende gleich mehr als 900, im Oktober mehr als 1500 und jetzt schon in den ersten 10 Tagen des Novembers über 1000 Besuche des Portals. Auch die Form des Projekts weckt Interesse: Das Pilotprojekt der IZfK findet bereits erste Nachfolger in anderen Fachbereichen an der Universität Trier.