FOR 2603 2017 – 2023
Vortrag – Angelika Schmitt: Transgenerationales Gedächtnis und national-feministische Mystik
Dr. Angelika Schmitt:
Transgenerationales Gedächtnis und national-feministische Mystik in Oksana Sabuschkos postkolonialem Roman «Музей покинутих секретiв» („Museum der vergessenen Geheimnisse“)
Mit ihrem opus magnum «Музей покинутих секретiв» („Museum der vergessenen Geheimnisse“) hat die feministische Schriftstellerin und Lyrikerin Oksana Sabuschko eine umfassende Familiensaga geschaffen, in der die ukrainische Geschichte des 20. Jahrhunderts in Form von kommentierten Ausstellungsexponaten und einer vielschichtigen Archiv- und Ausgrabungsmetaphorik über drei Generationen aufgearbeitet wird. In meinem Vortrag möchte ich vor dem Hintergrund der drei Konzepte kollektives vs. individuelles Gedächtnis, ukrainischer Nationalfeminismus und postkoloniales Trauma die dem Roman zugrundeliegende feministische Vision einer Geschichtserkenntnis jenseits des wissenschaftlichen Diskurses herausarbeiten, wie sie Sabuschko mit Rückgriff auf psychoanalytische und religiöse Konzepte unterschiedlicher Provenienz entfaltet. Es kommt dabei der ethnographischen Idee der berehynja, der Hüterin des Hauses, eine wichtige Rolle zu, die auf der Grundlage einer exzessiv gelebten Sexualität die Quellen ursprünglicher Schöpferkraft und weiblicher Intuition erschließt, welche einen Zugang zu den historischen Ereignissen jenseits der durch Archivierung oder Überlieferung erhaltenen Fakten – unter direktem Zugriff auf das kollektive Gedächtnis der Nation – ermöglichen soll.