Konferenz, 6. November 2019

Workshop – „Transkulturelle versus nationale Lyrik“

Zeit:
6. November 2019, 14:00 - 18:00
Ort:
Universität Trier, Raum DM 131
Sprache:
  Deutsch  /    Englisch

Die DFG-Kolleg-Forschungsgruppe „Russischsprachige Lyrik in Transition“ (FOR 2603) lädt Sie herzlich ein zu dem Workshop

„Transkulturelle versus nationale Lyrik“

 

Mittwoch, den 06. November 2019, 14-18 Uhr

Universität Trier, Raum DM 131

 

Programm:

14:00 – Begrüßung: Prof. Dr. Henrieke Stahl

14.15 – Prof. Dr. Jens Herlth (Universität Bern): „Aus dem Leichenschauhaus: nationalistische Lyrik im heutigen Polen“

Am Beispiel der Texte des Dichters und Literaturwissenschaftlers Przemysław Dakowicz möchte ich zeigen, wie in der polnischen Gegenwartslyrik der traditionelle martyrologische Diskurs des ‚romantischen Paradigmas‘ mit neuem Leben gefüllt wird: Eine besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der ästhetischen und politischen Instrumentalisierung der symbolischen Wechselbeziehung zwischen den Massenerschießungen von Katyń (1940) und der Flugzeugkatastrophe von Smolensk (2010) zu. Dakowiczs obsessives Interesse an den physischen Überresten von Toten lässt sich als eine poetische Umsetzung des forensic turn deuten, wie er in den letzten Jahren in der Erforschung von Massengewalt und Genozid-Verbrechen zu beobachten ist. Es gilt die geschichtspolitischen und poetologischen Implikationen dieser Operation zu analysieren. Dabei werde ich als Kontrastfolie konventionellere poetische Stimmen aus dem Feld der polnischen nationalistischen Lyrik anführen (J. M. Rymkiewicz, W. Wencel). Als theoretische Basis dienen mir in erster Linie die Arbeiten der Historikerin Ewa Domańska (Nekros. Wprowadzenie do ontologii martwego ciała. Warszawa: PWN, 2017).

15:15 – Prof. Dr. Hubert Zapf (Universität Augsburg): „Die Literatur des Anthropozäns zwischen Archiv und Experiment“

Das Anthropozän ist ein Leitbegriff der neueren Umweltdebatte geworden, der auch im Bereich einer ökologisch orientierten Literaturwissenschaft verstärkt rezipiert wird. Er bezeichnet die paradoxe Situation, dass der Mensch gerade dadurch, dass er zum bestimmenden geologischen Faktor geworden ist, eine Krise von bisher nicht gekanntem Ausmaß veursacht hat, die nicht nur die Zukunft der Menschheit, sondern die des Lebens auf dem Planeten selbst zu gefährden droht. Es ist argumentiert worden, dass angesichts dieser völlig neuartigen Herausforderung nicht nur politische und philosophische Konzepte, sondern auch überkommene Kategorien von Literatur und Ästhetik radikal neu zu denken seien. Angesagt sei eine posthumanistische Ästhetik, die die Mittelpunktsstellung des Menschen und die auf ihr gründenden Formen literarischer Darstellung überwindet und durch völlig neue, experimentelle Sprach- , Erzähl- und Darstellungsformen ersetzt.

Solche Ideen haben fruchtbare Impulse sowohl für die Literaturtheorie wie für die verschiedensten Formen ästhetischer Praxis geliefert. Gleichwohl ist es interessant zu beobachten, dass die Literatur des Anthropozäns in ihren experimentellen Innovationen zugleich verstärkt auf die Archive der literarischen und kulturellen Imagination zurückgreift. Ich werde dies in meinem Vortrag an Beispielen der anglophonen und deutschen Literatur illustrieren.

16:15 – Kaffeepause

16:45 – Prof. Dr. Adalberto Müller (Universidade Federal Fluminense, Brazil): „Ameridian Perspectivism in Manoel de Barro’s Poetry“

Manoel de Barros (1916-2015) is among the few Brazilian poets who had a deep understanding of indigenous knowledge produced by native Amerindian peoples, many of whose cultures were described by Claude Lévy-Strauss in Tristes Tropiques (1955). In fact, Manoel de Barros used to live and work (as a cattle farmer!) in the same region Lévi-Strauss travelled during the late 1930s, and by the 1960s the Brazilian poet developed the principles of his eco/ethno-poetics in books such as Gramática expositiva do chão [Expositive Grammar of the Ground]. Despite the fact that his first books were published during the period of Brazilian “Modernismo” (1920-1960), his major work flourished only during the 1980s and 1990s, as the worldwide trend of ecology made of him the first Brazilian literary voice of the environmentalism. However, as I intend to show, Manoel de Barros work (as related to the Amerindian culture) belong both to the Modernist tradition and to the “Post-Modernity”, especially when his poetry is read through the post-structural lens of anthropological concepts like “Amerindian perspectivism” and “multinaturalism”, as developed by Eduardo Viveiros de Castro.

17:45-18:00 Plenum

 

Gäste sind herzlich willkommen!

Jens Herlth: Studium der Slavischen Philologie, Germanistik und Westslavischen Philologie in Köln und Moskau. Sprachkurse und Forschungsaufenthalte in Russland, Polen und Kroatien. Promotion 2002 in Köln. Habilitation 2007 in Köln mit der Arbeit Auf schmalem Grat: Der polnische Katastrophismus im 19. u. 20. Jahrhundert. Poetik, Rhetorik, Geschichtsverständnis (unpubl.). Seit 2007 ord. Professor für Slavistik an der Universität Fribourg. Vorlesungen und Seminare zur russischen, polnischen und serbischen (bosnischen, kroatischen) Literatur des 19.-21. Jahrhunderts. Arbeitsschwerpunkte: Russische Lyrik, Fedor Dostoevskij, Literatur im ideengeschichtlichen Kontext, Geschichtsphilosophie und Kulturkritik in Polen, polnische intellectual history, Stanisław Brzozowski. Seit 2019: Mitherausgeber der Zeitschrift für Slavische Philologie, Mitglied der Jury des Kościelski-Literaturpreises.

Hubert Zapf: Studium der Fächer Englisch und Geschichte an den Universitäten Regensburg und Würzburg. Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Würzburg 1972-77. ACLS-Doktorandenstipendium Columbia University und University of Chicago 1975. Lector in German an der University of Buckingham, England, 1977-78. Promotion (1981) und Habilitation (1987) an der Universität Paderborn. Vertretungsprofessuren in Konstanz, Freiburg und Bamberg 1988-1991. Professor und Lehrstuhlinhaber für Amerikanistik seit 1991 an der Universität Augsburg. Gastprofessuren an den Universitäten Brandeis, Pittsburgh, Vermont, Birkbeck College (University of London).

Adalberto Müller is an Assistant Professor for Literary Theory at the Federal Fluminense University in Rio de Janeiro. During the 2018-19 academic year he was a Visiting Scholar at the Department of English at SUNY Buffalo. He was also a Visiting Scholar at Yale University in 2013. During that year, he researched archives in the US and Europe to reconstruct the history of Orson Welles’ unfinished film adaptation of Don Quixote. He has served as Visiting Professor for film studies at Université de Lyon2/France for four years (2010-2013) and a research fellow for the Brazilian Federal Research Agency (CNPq). Also a writer and poet, he has published four books in Portuguese; translated works by Rainer Maria Rilke, Paul Celan, e.e. cummings and Francis Ponge into Portuguese; and he is currently finishing his translation of the complete poems of Emily Dickinson into Portuguese, to be published in two volumes by Editora da UnB and Editora da Unicamp (Brazil). As a filmmaker, he wrote and directed the short movie Wenceslau e a árvore do gramofone [Wenceslau and the gramophone tree], based on poems by Manoel de Barros.